Mantelkragen mit Schusslöchern

Philipp Meier ⋅ Neue Zürcher Zeitung vom 01.11.2014, Seite 21

Die Designgut in Winterthur bleibt ihrem Credo der Nachhaltigkeit treu

 

Massloser Massenkonsum ist definitiv nicht das Ideal der Schweizer Designmesse für nachhaltige Produkte. Obwohl die grossen Produzenten in Design und Mode die «Bionade-Bourgeoisie», wie die gut betuchten Lifestyle-Ökos in Deutschland bezeichnet werden, längst als Zielgruppe entdeckt haben und ihr Angebot mit Schlagworten wie «bio», «ethisch» oder eben «nachhaltig» «grün zu waschen» bemüht sind, setzt die Designgut in Winterthur konsequent auf einen «natürlich gewachsenen Alternativkonsum», wie es im Katalog der nunmehr fünften Ausgabe heisst.

Die kleinen Brands, die an der Designgut eine ideale Plattform haben, unterziehen ihre Produkte für die Teilnahme an dieser speziellen Designmesse einem strengen Deklarationssystem. An jedem Stand sind diverse Icons angebracht, welchen der Besucher eine klare Produktedeklaration hinsichtlich echter Nachhaltigkeit entnimmt.

Das kann im konkreten Fall etwa so aussehen: Die ausgebildete Berner Reitsport-Sattlerin Fiona Losinger fertigt Ledertaschen im Dienste solider Funktionalität und setzt dabei auf gutes, traditionelles Handwerk in Kombination mit innovativen Ideen für zeitgemässe Produkte. Sie produziert in ihrer Werkstatt in der Berner Altstadt sozial verträglich, ihre Taschen sind im eigenen Atelier handgefertigt, und die Rohstoffe sind natürlich.

Das Icon mit dem Schweizerkreuz, das neben den Symbolen für die soeben aufgezählten Deklarations-Kriterien zu sehen ist, besagt auch, dass ihre Taschen durch und durch in der Schweiz gefertigt sind. Allerdings findet die Designerin hierzulande keinen Ledergerber, der ihren Qualitätsanforderungen entspricht. Daher bezieht sie ihr Leder von einem Gerber aus dem Allgäu, der auf rein pflanzlicher Basis arbeitet und Häute von Tieren aus der Region verwendet. Fiona Losingers Taschen sind wunderbar weich beim Anfassen und altern sehr schön, haben aber wie alles Gute ihren Preis: So kostet eine Reisetasche um die tausend Franken.

Der Stand von El Design ist sogar mit nicht weniger als sieben Deklarations-Icons versehen: für «Recycling», «teilweise Recycling» und «Upcycling» sowie für «handgefertigt im eigenen Atelier», «Herstellung in sozialer Werkstätte», «sozialverträglich produziert» und «Swiss made». Elian Portmann macht Anhänger, Ohrclips und Manschettenknöpfe (Letztgenannte um 95 Franken das Paar). Die in Silber gefassten Medaillons hat sie aus alten Porzellantellern herausgestanzt. Die originellen Schmuckstücke zeigen Vögel- und Blumenmotive sowie schöne Muster. Ihr Material sucht die Designerin unermüdlich in Brockenhäusern und auf Flohmärkten zusammen. – Etwas stutzig wird man hingegen an einem Stand, wo modische, halblange Mäntel mit trendigen Kragen aus echtem Pelz versehen sind. «Volpone» heisst die Linie der St. Galler Designerin Ly-Ling Vilaysane, die einen über diese Pelzkrägen aufklären kann. So erfährt man, dass in der Schweiz jedes Jahr rund 40 000 Füchse geschossen werden müssten, da die Tiere als Krankheitsüberträger und Störefriede in Wohngebieten auftauchten. Die Kadaver würden verbrannt, die Felle seien für die Pelzindustrie zu wenig perfekt. Für «Volpone» seien sie aber ethisch vertretbar – und sind erst noch sehr schön, obwohl sie Einschusslöcher aufweisen. Die trendigen Mäntel kosten zwischen 1690 und 1830 Franken, je nachdem, ob die Kapuze auch noch mit einem Biohasen gefüttert ist oder nicht.

Winterthur, Casinotheater und Gewerbemuseum, bis 2. November.